Wenn man/frau das Titelbild des aktuellen Profil ansieht, steigt einem das kalte Grauen auf. „Psychoterror“ lautet die Überschrift und im Untertitel „Missbrauch in der Therapie. Übergriffe, Fehldiagnosen, Geldgier: Die Schattenseiten des Geschäfts mit der Seele“ der Untertitel. Die Frau im Eck auf dem Titelbild tut ihr Übriges, um diesen Eindruck zu verstärken.
Wirklich gruseln macht die Doppelseite im Inneren des Blattes. „GAU Zone Therapie“ und „Sexueller und psychischer Missbrauch, unseriöse Behandlungsmethoden, falsche Diagnosen und Therapeuten, die sich als Gurus inszenieren und Menschen in die Abhängigkeit treiben: Wie im Geschäft mit der Seele Menschen kaputt und krank gemacht werden können“ wird durch ein doppelseitiges (!) Foto mit wild aufeinander einschlagenden Businessmenschen (Managementtraining? ;-)) untermauert.
Damit kein Missverständnis entsteht. Ich glaube natürlich, dass es Missbrauch gibt, ich weiß aber auch, dass Psychotherapie kein einfaches Geschäft, sondern eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit ist. Dazu ist in dem mehrseitigen Artikel nur in wenigen Zeilen mehr zu erfahren. Z.B. wird eine Befragung aus dem Jahre 2008(!) (die war also nicht der Auslöser für dieses Psychotherapiebashing, oder doch?) kurz zitiert, mit der Aussage, dass das Bewusstsein der befragten PsychotherapeutInnen in Oberröstereich in Bezug auf Einstellung zu sexuellen Kontakten in der Psychotherapie zu wenig ausgeprägt ist. Sollte das heute noch so sein, bedarf dies sicher entsprechender Maßnahmen. Die StudienautorInnen sehen das in einer Zusammenfassung nicht ganz so dramatisch wie dies im Profil in Titel und Headline klingt:
„Nur von einzelnen Psychotherapeuten wurden eindeutig
unethische Positionen vertreten. Viele Psychotherapeuten sind sich nicht darüber im Klaren, dass sexuelle Kontakte auch nach Abschluss einer Psychotherapie ethisch zu verurteilen sind. Diskussionen und Fortbildungen über diese Thematik sind dringend
notwendig.“
Ich definiere Missbrauch da wie der Psychotherapiebeirat des Gesundheitsministeriums:
„Missbrauch liegt dann vor, wenn Angehörige des Berufs ihren psychotherapeutischen Aufgaben gegenüber den Patienten untreu werden, um ihre persönlichen Interessen, insbesondere sexueller, wirtschaftlicher, sozialer, emotionaler, politischer oder religiöser Natur zu befriedigen“
Dass mit so einem Artikel allerdings dem wichtigen Thema Sicherstellung einer adäquaten Psychotherapeutischen Versorgung in Österreich nichts Gutes getan wird, da bin ich mir sicher. Auch nicht mit der Vermanschung von Erfahrungsschnippseln, Berichten aus der Esoszene, Kritik an Unausgebildeten usw. Offensichtlich soll mit einer reisserischen Aufmachung und Tendenz Auflage gemacht werden, genauso unseriös, wie wir dies schon – in diesem Blog auch schon thematisiert – auch beim regelmäßigen Alternativmedizinbashing von zwei der drei hier am Werk gewesenen AutorInnen kennen.
Ohne große Überschrift und ohne passendes (reisserisches) Foto wird im Text dann darauf hingewiesen, dass seit 1991 das neue Psychotherapiegesetz mit sehr hohen Anforderungen (mehrjährig: allein 765 Stunden Theorie im Rahmen des Propädeutikums und mindestens 120 Supervisionsstunden) existiert. Im Rest des Artikels werden Angebote von nicht ausgebildeten PsychotherapeutInnen, aus der Esoszene, aus Managementtrainings flink mit seriösen Methoden gemixt, und schon auch die Forderung nach ärztlicher Behandlung (die a priori gar keine psychotherapeutische Ausbildung, und auch keine Selbsterfahrung haben müssen) darunter gemischt.
Aus gesundheits- und sozialpolitischer Sicht hätte ich es wichtiger gefunden, die erst gegen Ende des Artikels dargestellten Fakten zum Gegenstand eines Aufmachers zu machen.
Von 65 000 ÖsterreicherInnen in Psychotherapie sind nur 35 000 voll kassenfinanziert. Der Rest erhält nur den – seit 1992 nicht einmal indexangepassten – Kostenzuschuss von 21.80€/h. Der Bundesverband für Psychotherapie geht von einem Bedarf für ca 170 000 Menschen aus.
Anmerkung zu den Zuschüssen der Krankenkassen: Ich glaube, dass es noch viele Menschen gibt, die aus verschiedenen Gründen – zb aus Angst in einer Datei als psychisch krank aufzuscheinen – ihre Psychotherapie zur Gänze aus der eigenen Tasche bezahlen – auf die geringe Zuzahlung der Krankenkasse verzichten, sodass die 65 000 als Zahl daher zu gering gegriffen sind.
Wenn dieses Thema Versorgung groß thematisiert würde, wüssten auch die, die nur das Titelblatt und die Überschriften angesehen haben, Bescheid über die wichtigen Probleme im Bereich der psychosozialen Versorgung in unserem Land.
p.s. Zu der Schludrigkeit passt dann auch, dass der Name einer der wichtigsten Interviewpartnerinnen in dem Artikel Eva Mückstein konsequent im ganzen Artikel mit „Mückenstein“ (sic) geschrieben wird.