Liegetrike für Behinderte und ÖBB

In Wien komme ich ja ganz gut zurande und von A nach B. Manchmal möchte ich halt doch ein bisschen weiter fahren mit meinem Liegetrike, das ich auch deswegen mitnehmen will,  weil ich sonst vor Ort nur ganz schlecht weiterkomme.

Also hab ich ein wenig recherchiert wie es denn aussieht mit Mitnahme meines Gefährtes in den Zügen der ÖBB. Das Moblitätsservice der ÖBB ist in dieser Frage so wie meine Erfahrungen mit den MitarbeiterInnen der ÖBB überhaupt. Sehr nett und zuvorkommend und immer bemüht eine Lösung zu finden.

Die offizielle(!) Linie der ÖBB ist in dieser Frage eher strikt.

– die ÖBB orientieren sich an so etwas wie „Mainstream“ KundInnen. Im Falle von Behinderungen heisst das ein „normaler“ Rollstuhl mit definierten Außenmassen. An diesen werden sowohl die „baulichen“ Massnahmen (v.a. Wagen) als auch die Vorschriften ausgerichtet. In diesem Schema haben auch Zwillingskinderwagen und Scooter für Gehbehinderte keinen Platz. In Wirklichkeit auch keine älteren Menschen die sich nicht mit grösserem Gepäck abschleppen müssen/wollen, weil das Haus/Haus Gepäck“Service“ nur bedingt hilfreich ist.

– bei Fahrrädern wird davon ausgegangen, dass es sich einspurige Fahrräder ohne e-motor und ohne Überlänge handelt. Das Liegetrike stellt trotz der Notwendigkeit für uns für die ÖBB trotzdem kein orthopädisches Hilfsmittel(!!!???) dar.

In der Praxis ist eine Mitnahme unserer Liegedreiräder in folgendem Rahmen möglich:

Zugtypen:

– Doppelstock Wiesel (erkennbar in Fahrplan durch „rollstuhltaugliches WC“) leicht möglich, soferne wir den Bahnsteig erreichen. Dort ist genug Platz zum abstellen.
– Talent: (als  „bedingt rollstuhltauglich“ im Fahrplan bezeichnet), Ein- und Ausstieg auch mit unserem Gefährt möglich
–  in „Wendezügen NICHT (mit dem Liegedreirad kommt man nicht um die Abtrennung im Lagerraum herum)
– Railjet: Fahrradmitnahme grundsätzlich nicht möglich (hier ist angeblich mittelfristig ein Umdenken in Aussicht)
– bei Fernzügen empfiehlt Herr Andel grundsätzlich auf die alten IC zu schauen (durch verstärkten Ankauf von Railjet Auslaufmodell!!!). Erkennbar sind diese im Fahrplan durch den Hinweis „Fahrradmitnahme: Begrenzt möglich“. Das ist ein Hinweis auf einen Gepäckwagen, einen Wagonteil o.ä.

Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor ist, dass bei Defekten von Zügen und Wagons auch ungeplant anderes Zugmaterial eingesetzt werden kann, was die Reise für uns noch weniger planbar macht.

Zugbegleiter:
Probleme: es wird Personal eingespart, das heißt, dass es nicht mehr überall ZugbegleiterInnen gibt. Dort wo Personal vorhanden ist, ist trotzdem in den Vorschriften vorgesehen, dass die Reisenden beim Ver- und Entladen von Gepäck (Rädern) mithelfen müssen. In der Praxis wird sich das bewältigen lassen. Mein Rad hat ca 25 kg und kippt leicht durch die Gepäcktaschen.

Hebebühnen:
Mit diesen darf aufgrund der baulichen Konstruktion aus Sicherheitsgründen auch nur ein Normrollstuhl gehoben werden. Scooter weiß ich jetzt nicht….

Bahnsteige:
Es gibt zwei Typen von Bahnsteigen, die sogenannnten 38er und die relativ neuen 55er benannt nach der Höhe zwischen Schiene und Bahnsteigkante. Dort wo bereits 55er existieren ist der Einstieg in barrierefreie Wagons fast ebenerdig. Bei den 38ern sind zusätzliche 17cm zu überwinden.

Lifte in den Stationen:
Tatsächlich weiss die ÖBB offenbar nicht wie groß die Innenmaße der Lifte sind, die in den Stationen eingebaut sind. Wenn beim Mobilitätsservice jemand anruft, wird dies jeweils im Einzelfall telefonisch recherchiert. Ingomar Tore hat das mit einem ungefähr gleich langem Rad (jetzt müssen wir einmal genau messen und vergleichen) schon erfolgreich in den S Bahn Stationen Floridsdorf und Handelskai versucht. Ging sich dort aber ganz knapp aus. Vielleicht ist das ja doch rauszukriegen. Ich bin davon ausgegangen dass es nur 2 – 3 Typen von Aufzügen gibt, wenn ich also weiss der grössere ist dort, weiss ich dann event. dass sich das ausgeht…..

Datenbank Barrierefreiheit:
Eine solche ist grade in Arbeit und wird von Abt. Infrastruktur der ÖBB im Laufe des Jahres 2011 fertig gestellt und danach öffentlich verfügbar sein. Diese Datenbank wird jedoch KEINE Liftgrösse beinhalten (außer dass der Lift der Önorm B 1600 entspricht). Ich habe hier eine Web 2.0. Lösung (sowas gibt es schon im Bereich der Lifte der Wiener Linien: http://derstandard.at/1293369960836/Barrierefrei-durch-Wien-Plattform-fuer-defekte-Aufzuege-und-Rolltreppen bzw http://ubahnaufzug.at/) vorgeschlagen, wo die Betroffenen ihre Erfahrungen mit der Erreichbarkeit/Benutzbarkeit online eintragen können.

Zusammenfassung:
Die Vorschriften sind sehr strikt und sehen wenig Spielraum vor. In der Praxis zeigt die Erfahrung, dass die ÖBB Bediensteten sich immer sehr bemühen eine Lösung zu finden. Wenn wir allerdings auf einen „Unwilligen“ treffen, oder defekte Wagen ausgetauscht werden, oder Lifte nicht funktionieren usw stehen wir ziemlich blöd da.

Abgesehen davon, daß wir natürlich gerne eine gute Lösung im Sinne von Sicherheit und Planbarkeit hätten,  glaube ich, dass das Problem ganzheitlicher betrachtet werden soll. Nämlich auch unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten (Zwang für mehrere in Summe gar nicht so kleine Personengruppen Auto oder Flugzeug zu benutzen). Betreffen tut die aktuelle Vorgangsweise jedenfalls außer uns die schon oben erwähnten älteren Menschen, Menschen mit viel Gepäck, Eltern mit Kleinkindern (Zwillingswagen), Gehbehinderte mit E – Scooter (ca 60kg, Bedeutung wird zunehmen)……

nähere offizielle Infos der ÖBB zu diesem Thema:
http://www.oebb.at/de/Reiseplanung/Barrierefreies_Reisen/index.jsp

Edit:
siehe dazu auch die entsprechende Diskussion im Liegeradforum.de

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3 Antworten zu Liegetrike für Behinderte und ÖBB

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