Radlerbashing: Rückkehr zur Verhältnismäßigkeit

Eigentlich geht mir diese unverhältnismässige Debatte schwer auf die Nerven und ich wollte es eigentlich beim kopfschüttelnden beobachten belassen….

Aber nachdem mittlerweile sämtliche Parameter der Vernunft verloren zu gehen scheinen, muss ich doch was dazu sagen, sonst platze ich….

Da ersticken unsere Städte im Verkehr, die Unfallzahlen sind – trotz Verbesserung – noch immer viel zu hoch, Feinstaub belastet unsere Lungen (und die unserer Kinder), weil wir die CO 2 Bilanz nicht runterkriegen kostet das ein Menge Geld, das zb unser Bildungssystem but gebrauchen könnte. Kurz wir sollten eigentlich über jede Entwicklung froh sein, die diesen Verkehrswahnsinn (Autowahnsinn hat, glaub ich, Profil vor einigen Wochen geschrieben) wenigstens etwas reduziert. Aber was geschieht: Wir reden nicht über die dutzenden Toten die der Motorisierte Individualverkehr verursacht, und auch nicht vernünftig über die Bedingungen die Radverkehr (und FussgängerInnen und Öffis) brauchen, um einen grösseren Teil übernehmen zu können. Ich denke mir auch immer, dass die AutofahrerInnen eigentlich auch ein egoistisches Interesse an mehr Platz haben müssten. Wir reden auch nicht über Strategien der Verkehrsvermeidung (Stichwort: Stop der Zersiedelung).

Worüber wir reden – und das nicht sehr gesittet – sind teils absurde Ideen wie Nummerntaferlpflicht für RadfahrerInnen, Handyverbot, Kampf den Radrowdys….

Da gilt es aber schon am Teppich zu bleiben, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und auch einzufordern. Ein tonnenschweres Auto mit entsprechender Geschwindigkeit ist ein tödliche Gefahr. Die auch konkret in den Unfallzahlen nachzulesen ist. Ein RadfahrerIn gefährdet einmal prinzipiell sich selbst, bzw FussgängerInnen. Vor allem wenn er/sie gezwungen wird, die Resteln des öffentlichen Raumes in tw. abenteuerlicher, unübersichtlicher Form zusammengezwängt zu nutzen.

Und ja, es gibt auch RadfahrerInnen die sich nicht an alle Regeln des StVO halten. Abgesehen davon, dass, wenn ich mich nur 1/2 h zu einer beliebigen Gürtelampel stelle, ich mehr und vor allem mehr Gefährdungspotential durch bei Rot- oder GelbfahrerInnen orten kann. Meiner Beobachtung nach fahren die meisten RadlerInnen am Gehweg weil sie sich davor fürchten an dieser Stelle auf der Fahrbahn zu fahren.

Wie die Radler die Verkehrssituation mit den AutofahrerInnen in Wien erleben, ist in dieser aktuellen Studie des VCÖ nachzulesen. Hier ein Auszug, damit klar ist, wer sich zurecht vor wem fürchtet:

In Wien kämpfen Radfahrende mit einem rauen Verkehrsklima. Nur jeder fünfte Befragte gab an, in Wien von anderen Verkehrsteilnehmenden ausreichend respektiert zu werden. In Vorarlberg erleben hingegen rund die Hälfte der befragten Radlerinnen und Radler andere Verkehrsteilnehmende als rücksichtsvoll. Telefonierende Autofahrer sowie Autos, die Radfahrende zu knapp überholen, sind ebenfalls in Wien am häufigsten. Über 80 Prozent der Befragten werden in Wien von Autofahrern mit zu geringem seitlichem Abstand überholt. In Vorarlberg kennt rund jeder zweite Radfahrende dieses Problem. In Salzburg und Wien wurden über 60 Prozent der Befragten schon einmal von telefonierenden Autofahrern in eine gefährliche Situation gebracht.

Wer sich intensiver mit der Situation (und den Problemen und Hindernissen) des Radverkehrs in Österreich auseinander setzen will, der/dem sei diese Studie im Auftrag des BMVIT nahegelegt.

Hier nur ein Fakt: Der typische Radrowdy ist ja bekanntlich zwischen 20 und 30 und männlich. Der kommt in der Unfallstatistik nicht so oft vor. Der typische getötete Radfahrer ist über 60 oder über 70, jedenfalls aber über 45. In der „Rowdyverdächtigen Personengruppe“ ist das im Untersuchungsjahr nur eine (weibliche) Person.

Interessant die Zusammnehänge und Unfallursachen. Die schweren Unfälle haben praktisch immer KFZ als Beteiligte, die Radwege kommen nicht so gut weg wie man Glauben möchte (vor allem die Einmündungen sind große Gefahrenquellen).

Wir haben keine andere Wahl als den MIV (Motorisierten Individualverkehr) zurückzudrängen und auf menschheits- und umweltverträglichere Verkehrsmittel zu setzen. Da ist der Radverkehr UND der Fussgängerverkehr ein wichtiger Faktor, die es zu fördern gilt.

Darüber sollten wir reden und zwar ohne diese populistische Begleitmusik. Zb über eine Neuverteilung des Strassenaumes. Der gehört nämlich allen.

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7 Antworten zu Radlerbashing: Rückkehr zur Verhältnismäßigkeit

  1. Manfred sagt:

    einer der vernünftigsten Beiträge aus meiner Sicht der letzten Zeit zu dieser Debatte:
    Raddebatte: Wenn Grün keine Sicherheit garantiert
    LESER-KOMMENTAR | RALF RISSER, 5. August 2012, 22:11
    Eine Replik auf Hans Rauschers einserkastl „Rad-Lösung“
    http://derstandard.at/1343743967955/Raddebatte-Wenn-Gruen-keine-Sicherheit-garantiert

  2. Manfred sagt:

    und auch SPÖ intern regt sich – gut argumentierter – Widerstand gegen den Unsinn und für eine „moderne Verkehrspolitik“ in Wien
    http://derstandard.at/1343744432854/Radler-Rowdies-und-der-rote-Populismus

  3. Manfred sagt:

    Martin Blum zu der Debatte:

    ….37 Verletzte hat es 2011 bei Unfällen von Radfahrer und Fußgängern in Wien geben, allerdings über 1.100 bei Unfällen von Autos mit Fußgängern. ….

    und dies, obwohl es mehr Räder als Autos in Wien gibt…..

    Pressemeldung auf ORF Wien:
    http://wien.orf.at/news/stories/2545063/

  4. Manfred sagt:

    ja es geht um Gefühle:

    „Die jetzt wieder aufgetauchten Forderungen sind nicht neu, sondern so alt, und jeden Sommer so verlässlich zu erwarten, wie weiland Nessie. In Wahrheit geht es dabei aber um Gefühle. Selbst wenn alle Radler Wiens von heute auf morgen mit Nummerntafeln ausgestattet handylos in den Untergrund verbannt würden, kämen die Autofahrer nicht wirklich schneller voran, dafür ist Wien einfach zu eng und die Zahl an Pkws jetzt schon viel zu groß. Eine Politik, die Radfahren erklärtermaßen fördern will, kann bei solchen Gegebenheiten gar nicht anders als das Fahren und Parken von Autos noch weiter einzuschränken.

    Die wieder einmal propagierten Forderungen nach allerlei Verboten und Taferln für Radler bedienen vor diesem Hintergrund vor allem Neidreflexe von Autobesitzern, die sich zwar zu recht um das Versprechen der immerwährenden individuellen Mobilität geprellt fühlen, dafür aber schlicht die Falschen verantwortlich machen. Das überrascht nicht, Feinbilder haben immer schon gut funktioniert. Nur: mit vernünftiger Verkehrspolitik hat das nichts zu tun. (Georg Bürstmayer, DER STANDARD, 11./12.8.2012)“

    http://derstandard.at/1343744552416/Nessie-auf-dem-Fahrrad

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